Franz Sales Haus · Jahresbericht 2021

Gesundheit

Beratung, Diagnostik, Therapien: Das Gesundheitszentrum Franz Sales Haus begleitet mit seinen vielseitigen Angeboten Menschen mit Behinderung jeden Alters.

Rechte konsequent einfordern

Von Dr. Maria del Pilar Andrino, Leiterin Gesundheitszentrum Franz Sales Haus

Wenn wir von Teilhabe sprechen, meinen wir damit den bedarfsgerechten, gleichberechtigten Anteil des Einzelnen an der Gesellschaft. Die Basis für eine diskriminierungsfreie Teilhabe sind rechtliche Grundlagen wie das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Mit Blick auf die Situation von Menschen mit Behinderung gilt es dieses gesetzlich garantierte Recht auf Teilhabe immer wieder einzufordern und konsequent durchzusetzen.

Die neun Abteilungen des Gesundheitszentrums Franz Sales Haus konkretisieren dieses Recht im Bereich Gesundheit mit individuell festgelegten Zielen und entsprechenden Leistungen. Neben positiven Entwicklungen – zum Beispiel die immer umfassenderen Möglichkeiten der Palliative Care für Menschen mit Behinderung – gibt es zugleich negative Alltagsrealitäten. So erleben Menschen, die zu uns kommen, auch Diskriminierung und Ausgrenzung. „Wissen Sie nicht, dass es vermeidbar gewesen wäre?“ – solche und ähnliche Aussagen schildern uns Eltern von Kindern mit Trisomie 21 vermehrt, seitdem der Pränataltest im August 2021 publik wurde.

Dieser vorgeburtliche Test ermöglicht ohne medizinische Indikation einen Bluttest auf Trisomie 13, 18 und 21 bei allen Schwangeren, wenn diese befürchten, ein Kind mit Behinderung zur Welt zu bringen. Dass die gesetzliche Krankenversicherung die Testkosten übernimmt, setzt sowohl die Ärzteschaft als auch die Frauen unter Druck, den Test in Anspruch zu nehmen, um eine Behinderung auszuschließen. Bei positivem Befund sind betroffene Frauen bzw. Paare unter starkem Druck, einen Schwangerschaftsabbruch folgen zu lassen. Der Gedanke des „perfekten Wunschkindes“ wird so gesellschaftsfähig gemacht und die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung zunehmend legitimiert.

Die bewusste Entscheidung für ein Kind mit Trisomie 21 stößt inzwischen häufig auf gesellschaftliche Ablehnung. Vor diesem Hintergrund gilt es mehr denn je, sich für das Teilhaberecht von Menschen mit Behinderung einzusetzen. Als Gesundheitszentrum stellen wir uns der Diskriminierung deutlich entgegen. Unsere Mitarbeitenden fühlen sich beschämt, wenn sie entsprechende Schilderungen von Eltern oder von Erwachsenen mit Behinderung hören. Mit unseren vielseitigen Leistungen arbeiten wir individuell und konkret daran, dass Kinder und Erwachsene mit Behinderung in gesundheitlichen Fragen zu ihrem Recht kommen und ein bedarfsgerechtes Angebot erhalten.

Zudem hat die Pandemie auch in diesem Jahr alle Mitarbeitenden besonders gefordert und ihre intensive Arbeit mit den Menschen mit Behinderung erschwert. Umso mehr sind wir dankbar für den großen Einsatz aller Beteiligten, die engagiert daran arbeiten, die Teilhaberechte von Kindern und Erwachsenen mit Behinderung umzusetzen.

Gesundheit in Zahlen

  • 500 Kinder in den Interdisziplinären Frühförderstellen/Woche
  • 60 Teilnehmende am therapeutischen Reiten am Hof Franz/Woche
  • 115 Teilnehmende an Mobilen Therapien/Woche
  • 50 Kinder und Jugendliche in der heilpädagogischen Ambulanz/Jahr
  • 473 Patient:innen im MZEB/Jahr
  • 123 Patient:innen in der Orthopädietechnik Franz/Jahr
  • 400 Teilnehmende an der Palliative Care, GVP/Jahr

kurz & kompakt

SchIFFs und Hof Franz: In den drei Interdisziplinären Frühförderstellen (SchIFFs) hat die pandemische Lage trotz aller Herausforderungen das Netzwerk mit Familien, niedergelassenen Kinderärztinnen und Kinderärzten, Kindergärten und weiteren Akteuren im Gesundheitswesen weiter intensiviert. Zusätzlich bietet das therapeutische Reiten auf dem Hof Franz vielen Kindern aus den SchIFFs einen „Tapetenwechsel“. Zwei Reithallen mit viel frischer Luft und die Gelassenheit der Therapiepferde bieten optimale Bedingungen.

MZEB: Unser Medizinisches Behandlungszentrum für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) ist im gesamten Ruhrgebiet bekannt und anerkannt. Die Zunahme an Patientinnen und Patienten und die positiven Rückmeldungen aus der Fachwelt in NRW und darüber hinaus belegen die hohe Fachkompetenz. Als Spezialambulanz leistet das interdisziplinäre Team eine in allen Teilhabebereichen notwendige Unterstützung für Erwachsene mit Behinderung.

Orthopädietechnik Franz: Hier werden Hilfsmittelbedarfe von Menschen mit und ohne Behinderung aus dem Unternehmensverbund und von extern angefragt. Vielfältige Beratungen sowie die anschließende Anpassung und Herstellung der Hilfsmittel in der eigenen Werkstatt sind ein Gewinn für die individuelle Unterstützung.
Mit geeigneten Hilfsmitteln trägt die Orthopädietechnik Franz maßgeblich zur Verbesserung der Teilhabe-Möglichkeiten bei.
Foto: © Schuchmann GmbH & Co. KG

Mobile Therapien: Mehr denn je konnte 2021 der ergotherapeutische Schwerpunkt in den Franz Sales Werkstätten das Recht auf Arbeit von Menschen mit Behinderung fördern. Gerade in Zeiten der Pandemie stand die Stärkung von Selbstbestimmung und Selbstständigkeit im direkten Zusammenhang mit der Ergonomieanpassung, Mobilitätsförderung und weiteren Kernzielen der therapeutischen Arbeit.

Palliative Care: Seit April 2021 konnten im Rahmen der Gesundheitlichen Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase (GVP) viele professionelle und barrierefreie Beratungsgespräche stattfinden. Zudem haben wir das GVP-Netzwerk in Essen und darüber hinaus ausgebaut. In einer persönlichen Beratungsatmosphäre haben Menschen aus dem Franz Sales Haus ihre Entscheidungen individuell formuliert und dokumentieren lassen.

Weiterblättern zu: